Franz Schubert — Der Akt des Dichtens in seiner musikalischen Darstellung

Ursache und Interpretation

Wo die Sprache aufhört, beginnt die Musik. Diese allgemeingültige Aussage hat im Werk von Franz Schubert, dessen nur knapp 17 Jahre andauerndes Schaffen insgesamt weitgehend von der Literatur, vor allem der lyrischen Poesie, bestimmt wurde, eine für die Musik- wie auch die Literaturgeschichte einzigartige Bedeutung: Der Komponist hat sich mit der Lyrik nicht primär bzw. ausschließlich zum Zweck ihrer Vertonung auseinandergesetzt, sondern die Dichtkunst war für Franz Schubert die Grundlage, ja, der initiale Punkt, überhaupt zu komponieren. Die im Werk von Franz Schubert übergeordnete Verbindung des Gedichtes als die wohl musikalischste Form in der Literatur und dem Lied als die poetischste Form in der Musik, bedeuten für den Komponisten zugleich Inspiration sowie eine vollkommene Entsprechung mit seiner künstlerischen Persönlichkeit — wie Eduard von Bauernfeld geschrieben hat: „Wer so komponiert ist selbst ein Dichter.“

Die wortlose Sprache der Gefühle, des Unsagbaren aber doch Ausdrückbaren, das ist in ihrer ursprünglichen Bedeutung gleichsam die Essenz von Musik. Zugleich wird das Gedicht aufgrund seiner explizit musikalisch-rhythmisch reglementierten sprachlichen Struktur zur Reflexionsebene der Selbstreferentialität seiner eigenen Sprache. Das Gedicht weist so auf seine eigene Sprache und eine andere ‚Sprache‘, jenseits davon hin — eben auf die Dimension der Musik. Es steht damit eines der im Akt des Dichtens ursächlichen und grundlegenden Elemente vor uns: die Konfrontation des Autors und der Autorin mit den Grenzen ihrer einzigen Sprache. Diese Ebene der Dichtung findet sich im Lied als eine interpretatorische Basis, eingeschrieben in seiner Musik. Mit ihr schafft der Komponist von Neuem den Ausdruck unmittelbarer Empfindung als die Darstellung dessen, was das mit Sprache Beschreibbare übersteigt.

Das vorliegende Forschungsprojekt bewegt sich im Bereich des interdisciplinary artistic research an der Schnittstelle zwischen Literaturkritik, Textanalyse und künstlerischer Anwendung in der Unterrichts- und Aufführungspraxis. Die künstlerische Forschung erfolgt unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Edwin Vanecek in Zusammenarbeit mit der Abteilung Gesang und Oper, Leitung: Univ.-Prof. Yuly Khomenko, sowie den international bekannten Gesangsinterpreten und -interpretin KS Ian Bostridge, KS Adrian Eröd und KS Univ.-Prof.in Birgid Steinberger.

In Workshops und Seminaren erforschen die Studierenden zunächst die explizite Darstellung der Autoren vom Akt des Dichtens. Unmittelbar auf der literarischen Analyse aufbauend erfolgt auf künstlerisch-praktischer Ebene die gesangliche Interpretation. Die Realisierung dieses literarisch-musikalischen Wechselspiels wird öffentlich in einer konzertanten Abschlussveranstaltung vorgestellt sowie in wissenschaftlichen Publikationen untersucht.

Die Stadt Wien steht dabei sowohl als Zentrum des musikalischen Umfeldes von Franz Schubert wie auch als Ausgangspunkt der sprachphilosophischen Schule von Arthur Schnitzler bis Ludwig Wittgenstein im Mittelpunkt.

Gefördert von der Stadt Wien Kultur