Die Vertiefung des Forschungsschwerpunkts Performance Art findet vor dem Hintergrund der Entwicklung des geplanten Masterstudiums Performance Studies (MAP) statt. Der geplante Studiengang wird praxisorientiert, zugleich aber theoriegeleitet sowie durch einen Fokus auf Artistic Research gekennzeichnet sein. Diese Ausrichtung soll Synergien zwischen dem MAP und dem eingereichten Doktoratsstudium gewährleisten, zugleich setzen beide Studiengänge den Ausbau der (künstlerischen) Forschung im Feld der Performance Studies voraus. Dieser findet sich somit als zentrales Ziel sowohl im aktuellen Forschungskonzept der MUK als auch im aktuellen Entwicklungsplan wieder und betrifft (drittmittelfinanzierte) Forschungsprojekte, forschungsgeleitete Lehre und Veranstaltungen, Publikationstätigkeit sowie den Ausbau von Kooperationen. Der Forschungsschwerpunkt Performance Art umfasst an der MUK sowohl wissenschaftliche Forschung als auch künstlerische Forschung und EEK. Im Zentrum stehen dabei sowohl historische als auch zeitgenössische Ästhetiken und Politiken des Performativen.
Unter „Performance“ wird an der MUK die Kunstform der Performance Art im engeren Sinn verstanden, die sich als „hybride Gattung“ aus der Entgrenzung anderer Künste, so etwa dem Übertreten der Leinwand, in den 1950er-Jahren zu entwickeln begonnen hat und seit den 1970er-Jahren mit Künstler*innen wie den Wiener Aktionisten, Valie Export, Chris Burden, Laurie Anderson, Cassils, Florentina Holzinger, Antonia Baehr oder Barbis Ruder eine etablierte Stellung innerhalb des internationalen Kunstschaffens sowie der akademischen Reflexion einnimmt.
Forschungsprojekte
An der MUK befinden sich derzeit verschiedene mehrjährige Forschungsprojekte im Feld der Performance Art in Durchführung bzw. in Planung. Besonders hervorzuheben ist das 2021 bewilligte FWF-PEEK-Projekt Dismantling the Archive. The Art of Disappearing (AR 626), das sich im Kontext von Literatur und Performance Art mit verschiedenen künstlerischen Strategien befasst, die archivarische Ordnungen irritieren und dabei versuchen, durch künstlerische Prozesse der Zerstörung, des Verschwindens oder der Fiktionalisierung die Paradoxie archivarischer Praktiken sichtbar zu machen. Das auf drei Jahre angelegte Projekt der Universität Wien und der MUK in Zusammenarbeit mit der Agentur für Unabkömmlichkeitsbegründungen (AGFU) wurde unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Roland Innerhofer (Institut für Germanistik der Universität Wien) und Ass.Prof.in Dr.in Rosemarie Brucher mit EUR 385.000,— gefördert. Als Start-up-Veranstaltung fand vom 8.11.—15.11.2021 eine performative Installation in Räumen der MUK in der Bräunerstraße statt, wo sich Besucher*innen unter dem Motto „Gewöhnen Sie sich an den Gedanken, dass Aufbewahren auch eine Form des Vergessens sein könnte. Und Verschwindenlassen eine starke Form von Erinnerung“ interaktiv mit Fragen des Archivarischen befassen konnten.
Weitere Informationen zu diesem Projekt finden sich auf der Website unter: https://muk.ac.at/forschungsschwerpunkte/kuenstlerische-forschungsprojekte/das-verschwinden-des-archivs.html
Unter dem Titel Vom Text zur Performance. Literarische Ver-Körperungen bei Kathy Acker arbeitet Postdoc-Mitarbeiterin Dr.in Rosa Eidelpes an einem Forschungsprojekt zu der US-amerikanischen Avantgarde-Künstlerin Kathy Acker (1947—1997). Das Habilitationsprojekt fokussiert am Beispiel der performativen Dimension im Werk der Künstlerin die Korrespondenzen zwischen (feministischer) Performance-Art und der literaturgeschichtlichen Wende von Innerlichkeit und Textimmanenz zu Oralität und Performativität in der literarischen Textproduktion um ca. 1965 und folgt Kontinuitäten und Brüchen bis hin zu auto-fiktionalen Ansätzen in der Gegenwartsliteratur. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden sich auf der Website unter: https://muk.ac.at/forschungsschwerpunkte/wissenschaftliche-forschungsprojekte/vom-text-zur-performance-literarische-ver-koerperungen.html
Performative Aspekte spielen auch eine wesentliche Rolle in dem von VRin Ass.Prof.in Dr.in Rosemarie Brucher gemeinsam mit Univ.-Prof.in Dr.in Anna Babka (Universität Wien) eingereichten wissenschaftlichen FWF-Projekt Theorizing Pornographies — Practicing Porn Theory, das sich derzeit in Begutachtung befindet. Die doppelte Zielsetzung des Projekts ist die Sammlung und kritische, vergleichende Reflexion bestehender Theoretisierungen von Pornographie in den Geisteswissenschaften einerseits (I, Theorizing Pornographies) und die performative Vermessung des komplexen Verhältnisses von Pornografien und Kunst andererseits (II, Theorizing Pornographies bzw. Practicing Porn Theory). Dabei zielt das Projekt darauf ab, in das weite Feld der (künstlerischen) Pornographien und (pornographischen) Künste selbst performativ zu intervenieren. Es wurde eine Projektsumme von EUR 525.404,— beantragt.
Im Studiengang Schauspiel wurden in den letzten Jahren zahlreiche künstlerische Forschungsprojekte für den öffentlichen Raum entwickelt, mehrfach in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Studierenden der Studiengänge Tanz bzw. Master of Arts in Education (MAE). Dozentin Claudia Heu verfolgt in diesem Zusammenhang das künstlerische Forschungsprojekt Innehalten im UMHERZIEHEN, das sich als eine künstlerische Rechercheform versteht, die noch unbekannte, womöglich auch vergessenen Räume eröffnen soll. Dabei widmet sie sich den Fragen „Was kann sich ereignen? Was kann sich begegnen? Was kann entstehen?“ Claudia Heu ist als Performancekünstlerin international künstlerisch forschend tätig. Ihre Arbeiten umfassen ortsspezifische Performances, Installationen sowie soziale Interventionen und wurden in Europa, den USA, der Mongolei und in Südamerika entwickelt und gezeigt.
Weitere Informationen zu diesem Projekt finden sich unter: http://www.claudiaheu.com/umherziehen
Auch der 2019 eingerichtete Interuniversitäre Forschungsverbund Elfriede Jelinek setzt sowohl in seinem wissenschaftlichen als auch in seinem künstlerisch-wissenschaftlichen Veranstaltungsprogramm wiederholt Foki auf den Bereich Performance Art. So etwa in Vorträgen zu Performance Art im Rahmen der Ringvorlesung Text.Notation.Performance — Interdisziplinäre Perspektiven, durchgeführt im Sommersemester 2021 an der Universität Wien in Kooperation mit dem Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst Wien, oder in der künstlerisch-wissenschaftlichen Video-Performance Verkörperungen: Zur Performativität von Notation in Theater und Tanz mit Univ.-Prof.in Dr.in Karoline Exner, Univ.-Prof.in Jolantha Seyfried und Studierenden der MUK. Die Erkenntnisse aus diesen künstlerisch-wissenschaftlichen Prozessen fließen wiederum in Publikationen des Forschungsverbunds ein.
Auch bei studentischen Abschlussarbeiten ist ein Zuwachs an performancetheoretischen Themenstellungen zu beobachten. Exemplarisch verwiesen sei hier auf zwei BA-Arbeiten, die jeweils mit einem Förderstipendium der Kulturabteilung der Stadt Wien (à EUR 1.000.—) ausgezeichnet wurden:
Monika Demmer: Unterbrechungen — Versammlungen — Utopisches. Das Politische in der zeitgenössischen darstellenden Kunst am Beispiel von Anna Mendelssohns Performance „Cry me a river“ (2018; Betreuung: Univ.-Prof.in Dr.in Andrea Amort)
Magdalena Forster: „highly controlled decontrolling of bodily and emotional controls“ — Gesellschaftliche Sozialisierung des menschlichen Körpers und dessen Stellenwert im aktuellen Performanceschaffen. (2019; Betreuung: Univ.-Prof. Nikolaus Selimov)