Die Illusion der Freiheit

Das LaSalle-Quartett wurde 1947 von Studierenden der Juillard School of Music in New York gegründet und trat bis 1987 in Konzerten auf. Langjährige Mitglieder waren Walter Levin, Henry Meyer und Peter Kamnitzer. Wechselnde Mitglieder waren u.a. Richard Kapuscinski, Jack Kirstein und Lee Fiser. Viele bekannte jüngere Quartette wie beispielsweise das Alban-Berg-Quartett, das Artis-Quartett und das Vogler-Quartett nahmen Unterricht beim LaSalle-Quartett.

Ab 2001 wurde der Nachlass des LaSalle-Quartetts der Paul Sacher Stiftung in Basel übergeben. Kernbereiche der Sammlung sind zahlreiche teils annotierte Stimmen und Spielpartituren, einige Musikmanuskripte und Skizzen, eine umfangreiche Briefsammlung, detaillierte Scrapbooks mit Konzertprogrammen und Rezensionen, eine Sammlung an Fotographien und ca. 500 Tonbänder. Die Sammlung ist weitgehend unerforscht und teilweise noch nicht katalogisiert.

Das LaSalle-Quartett widmete sich zahlreichen Uraufführungen und vergab Kompositionsaufträge. Drei dieser Uraufführungswerke werden im Rahmen des Forschungsprojekts detailliert untersucht: 1. Franco Evangelisti: Aleatorio (UA 1963), 2. Earle Brown: Streichquartett (UA 1965), 3. Witold Lutosławski: Streichquartett (UA 1965). Alle drei Werke beinhalten Notationselemente, die den Interpret:innen bei ausgewählten musikalischen Parametern Freiheiten lassen, graphisch notieren und Entscheidungen der Interpret:innen bezüglich der Werkstruktur provozieren. Wie das LaSalle-Quartett diese Werke musizierte, wird anhand der Aufführungsmaterialien, Notizen, Interviews und Tondokumente ersichtlich. Viele Details der Zusammenarbeit des LaSalle-Quartetts mit den ausgewählten Komponisten werden außerdem über die Briefe Levins greifbar.

Die primäre Forschungsfrage lautet: Wie ging das LaSalle-Quartett mit aleatorisch komponierten Werken und offenen Formen um? Das Ziel des Forschungsprojekts liegt darin, Aufführungsprinzipien des LaSalle-Quartetts offenzulegen und konkret ihren Umgang mit aleatorischen Kompositionen und graphischen Notationselementen nachzuvollziehen. Ein Teil der Aufführungsgeschichte der ausgewählten Werke wird erstmals chronologisch dargestellt und die im Nachlass erhaltenen Tondokumente kontextualisiert. Die Aufführungsmaterialien aus dem Nachlass des LaSalle-Quartetts bieten die Chance, den performativen Zugang zu Notations- und Musizierformen wie „Ad-libitum-Ensemblespiel“, „open form“, „space notation“, „action notation“ und „interprete concreatore“ zu erfassen. Auf einer Meta-Ebene werden Aufführungsmaterialien als Quellen der Interpretationsgeschichte diskutiert.

Das Forschungsprojekt wird von der Paul Sacher Stiftung Basel und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert.

Projektleitung: MMag.art. Clara Ziegelbauer, PhD