Seit den 1980er-Jahren ist die Formenlehre ein zentrales Thema in der nordamerikanischen Musiktheorie. Doch woher stammt dieser Impuls? Das FWF-ESPRIT-Projekt „Deutschsprachige und anglophone Formenlehre der Nachkriegszeit“ untersucht das Verhältnis zwischen der deutschsprachigen und der anglophonen Musiktheorie seit 1950.
Die musikalische Formenlehre im deutschsprachigen Raum hat häufig neue Theorien und Konzepte entwickelt, bevor diese in Nordamerika oder im Vereinigten Königreich aufgegriffen wurden. Ein Beispiel dafür ist der historisch bewusste Zugang zur Formenlehre, der auf die Arbeiten von H. Chr. Koch und J. Riepel zurückgeht. Dieser Ansatz wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren von Carl Dahlhaus („Der rhetorische Formbegriff H. Chr. Kochs und die Theorie der Sonatenform“, 1978) und Wolfgang Budday (Grundlagen musikalischer Formen der Wiener Klassik, 1983) weiterentwickelt. Später findet sich ein Interesse an Koch und Riepel in Elements of Sonata Theory (2007) von James Hepokoski und Warren Darcy sowie in Poundie Bursteins Journeys Through Galant Expositions (2020).
Das FWF-Projekt untersucht diese Fragen nicht nur im Hinblick auf den historischen Zugang zur Formenlehre, sondern auch im Kontext der Schönberg-Tradition (William Caplin, Clemens Kühn, Funktionelle Formenlehre), der Musikpädagogik an der mdw (Karl Heinz Füssl) sowie der Schenker’schen Formenlehre (Helmut Federhofer, Charles Smith und Michael Polth).
Ziel des Projekts ist es, das Zusammenspiel zwischen deutschsprachiger und anglophoner Musiktheorie und Formenlehre zu erforschen.
Univ.-Prof. Laurence Willis, PhD
Universitäts-Professor für Musiktheorie