Der Südtiroler Komponist und MUK-Alumnus Alexander Kaiser beim Festival zeitgenössischer Musik in Bozen. Ein Interview.
[…] Beim Festival zeitgenössischer Musik wird ein Werk mit dem Titel „where the sky is poisoned silver“, eine Zeile aus William Gibsons Cyberpunk-Klassiker „Neuromancer“ „under the poisoned silver sky“, von Ihnen aufgeführt. Klingt dystopisch. Ist das Ihre Stimmung?
Manchmal… Wenn ich mir die Nachrichten anschaue und lese, welche Stimmung sich aktuell in Teilen unserer Welt ausbreitet, kann man es sicher dystopisch nennen, wenn man so möchte. Dennoch versuche ich, möglichst zu vermeiden, dem Publikum eine bestimmte Stimmung oder ein bestimmtes Gefühl aufzuzwingen. Am glücklichsten wäre ich, wenn die Rezeption so vielfältig wie möglich ausfällt.
Am gleichen Abend werden Werke von Pierre Boulez und Luciano Berio aufgeführt, zwei radikale Exponenten der Nachkriegs-Avantgarde. Was sagt diese historische Avantgarde der jungen Generation noch? Worin besteht Radikalität heute?
Ästhetisch sagen sie mir persönlich nicht mehr viel. Dennoch kann man immer aus Vergangenem lernen. Im Fall von Boulez und Berio sind es sicherlich handwerkliche Aspekte, zum Beispiel Fragen der Instrumentierung, Phrasierung etc. Zur Frage der Radikalität heute: In einem Zeitalter von Social Media, KI, Massenmedien und der ständigen Verfügbarkeit jeglicher Kunst kann ich das nicht wirklich beantworten. Ich persönlich versuche vielmehr, durch eine Art Rekontextualisierung bereits Vorhandenes auf neue Weise zu nutzen. Ob das radikal ist, weiß ich nicht – aber, wie gesagt, was ist heute überhaupt noch radikal? […]
Zur Person: Alexander Kaiser, 1985 in Bruneck geboren, studierte Komposition an der MUK – Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien bei Christian Minkowitch und an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz bei Beat Furrer. Seine Musik wurde u. a. von Ensembles wie dem Klangforum Wien, Interface Ensemble, Studio for New Music Ensemble, Schallfeld Ensemble, Platypus Ensemble, The Black Page Orchestra, Ensemble Noen, Reconsil Ensemble, dem Konzerthaus Wien, Musikverein Wien, ORF RadioKulturhaus, Vienna International Saxfest, Wien Modern, Klangspuren Schwaz, Transart Festival, MATA Festival, Austrian Cultural Forum New York und Gustav Mahler Musikwochen uraufgeführt. Er lebt in Wien.
„Was ist heute noch radikal?“
Neue Südtiroler Tageszeitung online, 12.10.2025
Von Heinrich Schwazer (Link)