Das Doktoratsprogramm der MUK ist ein exzellenz-orientiertes Studium mit internationaler Ausrichtung. Es ermöglicht Studierenden die Entwicklung und Durchführung von originellen, visionären, interdisziplinären und experimentellen Forschungsprojekten.
Kunst oder Wissenschaft, Theorie oder Praxis? — Im akademischen Feld der künstlerischen Forschung (Artistic Research) werden die traditionellen Dichotomien zugunsten einer produktiven und kooperativen Grenzüberschreitung sistiert. Seit der Jahrtausendwende steigt auch in Mitteleuropa die vor allem in Großbritannien und im skandinavischen Raum bereits länger praktizierte Wertschätzung für die Forschungsleistung künstlerischer Praxen: Das Feld der Artistic Research manifestiert sich zunehmend in universitären Curricula und ermöglicht Künstler*innen eine wertvolle Qualifizierung.
An der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien wird seit dem Sommersemester 2024 ein Doktoratsstudium in frisch adaptierten Räumlichkeiten im Haus Bräunerstraße 5 angeboten. Das künstlerisch-wissenschaftliche Qualifikationsprogramm ist ein Meilenstein für die Institution und deren Ruf als etablierte Ausbildungs- und Forschungsstätte der Stadt Wien. Das sechssemestrige Studium erfolgt im Bereich Artistic Research und bietet die interdisziplinären Forschungsschwerpunkte „Komposition/Musiktheorie“, „Kunst- und Kulturvermittlung“, „Gegenwartstheater“, „Performance Art“, „Zeitgenössischer Tanz“ sowie „Interpretationsforschung“.
Erfolgreiche Akkreditierung, Forschung & Praxis
Vizerektorin Rosemarie Brucher, die seit 2019 das Zentrum für Wissenschaft und Forschung an der MUK leitet, war in den vergangenen Jahren wesentliche Impulsgeberin im Prozess der Akkreditierung des Doktorats: „Forschung ist eine zentrale Aufgabe einer Universität und dies gilt nicht nur für Lehrende, sondern auch für Studierende“, erklärt sie. „Forschung und die Möglichkeit zur Promotion sind wesentliche Entscheidungsfaktoren, ob eine tertiäre Bildungseinrichtung in Zukunft den Status einer Universität für sich reklamieren kann.“
Wer kann sich für ein Doktoratsstudium im Herzen Wiens bewerben? „Unsere Zielgruppe ist bewusst breit gehalten“, erklärt Joonas Lahtinen, Professor für Performance Art und Artistic Research an der MUK. „Für die Zulassung müssen die Bewerber*innen bereits ein künstlerisches Diplom- oder Masterstudium absolviert haben, doch wir lassen auch wissenschaftlich qualifizierte Bewerber*innen zu, wenn sie substanzielle künstlerische Erfahrung nachweisen können.“ Was dies konkret bedeutet? Lahtinen präzisiert: „Jemand hat also beispielsweise Musikwissenschaft an der Universität Wien studiert, ist aber gleichzeitig auch Komponist*in und eventuell sogar experimentell unterwegs. Ich könnte mir vorstellen, dass diese*r Kandidat*in sich für ein Doktorat an der MUK zum Beispiel mit algorithmischen Kompositionsmethoden beschäftigt.“
Und Vizerektorin Brucher ergänzt: „Theoretisch könnten sich Kandidat*innen aus der Philosophie oder auch Physik bewerben, die sich für den Bereich Zeitgenössischer Tanz interessieren. Es gibt an der MUK bereits Kooperationsprojekte, wo Physiker*innen aus der Robotik mit Tänzer*innen zusammenarbeiten.“ Von Belang ist also in erster Linie das jeweilige von den Kandidat*innen eingereichte künstlerisch-wissenschaftliche Forschungsprojekt, das von einem interdisziplinär besetzten Gremium gesichtet wird.
Pioniere an Bord, Aspekte der Mikrotonalität
Zwei Doktoranden sind seit dem aktuellen Sommersemester als Pioniere an Bord: Saxophonist Philipp Gerschlauer erkundet unter dem Titel „Microtonality and Bebop“ die musikalischen Elemente und Techniken des Genres. Die Transkription und Analyse von historischen Blues- und Bebop-Aufnahmen soll dazu beitragen, tonale und kompositorische Elemente zu dokumentieren, zu analysieren und musikhistorisch zu kontextualisieren. Auf diesem Wege kann auch die kulturelle Relevanz des Genres für das zeitgenössische Musikschaffen dokumentiert und reflektiert werden. Gerschlauer, der in Frankfurt, Mainz und Berlin Jazz studiert hat und über eine differenzierte Erfahrung in der Aufführungspraxis verfügt, hat an der MUK übrigens auch einen Lehrauftrag für Gehörbildung, Jazztheorie und Tonsatz.
Die künstlerische Forschung des griechischen Akkordeonisten Georgios Lolas widmet sich den interpretativen Dimensionen der Aufführung von zeitgenössischer Musik und trägt dem Trend zum mikrotonalen Komponieren Rechnung: Dem Projekt liegen praktische Experimente mit den verschiedenen Stimmungssystemen (gleichstufig und mikrotonal) zugrunde. Er untersucht, wie Interpret*innen aktuelle interpretative Entwicklungen in kompositorischen Trends verhandeln und eine eigene Performer*innen-Identität entwickeln können.