Am 22. und 23. März besuchte der österreichische Pianist die MUK und bot den Studierenden spannenden Unterricht mit der Möglichkeit, Experimente zu wagen und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen.
„Warum spielen Sie Klavier?“ Wenn diese Frage von jemand gestellt wird, der erst im Alter von 14 Jahren das Klavierspielen begonnen hat, aber bereits mit 25 Jahren Preisträger des Warschauer Chopin-Wettbewerbs wurde, dann ist das eine Aufforderung, seinen eigenen Standpunkt zu definieren oder eben radikal zu hinterfragen.
Diese Aufforderung zog sich durch die gesamte Meisterklasse, die der österreichische Pianist Ingolf Wunder letzte Woche an der MUK abhielt. Auf seine Frage bekam er von den acht Studierenden ganz verschiedene, teils sehr persönliche Antworten. Er bot ihnen und den zahlreichen Zuhörern einen methodisch unorthodoxen Unterricht, der musikalisch stets aufs Ganze ging.
Nicht das Destillieren der vermeintlichen Absicht des Komponisten aus dem Notentext stand dabei im Zentrum. Vielmehr ging es ihm um das Aufspüren und Eröffnen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die ein Werk bietet. Die Aufgabe eines Interpreten sei nicht „das Spielen der Zeichen“, sondern der Emotionen dahinter.
So begann der Unterricht häufig mit einer Ermunterung zum Experimentieren. Für das Erschließen neuer Perspektiven wurden Phrasierung und Rubato variiert, die musikalische Struktur auf ihren Kern reduziert, das Tempo beschleunigt oder verlangsamt und klangliche Extreme gewagt. Im so eröffneten Feld galt es nun, zwischen guten und schlechten Möglichkeiten zu unterscheiden. Innere Logik und organische Phrasierung waren dabei wesentliche Kriterien, für die Ingolf Wunder die Studierenden zu sensibilisieren suchte.
Der Unterricht von Ingolf Wunder stellt den Anspruch an jeden einzelnen Studierenden, interpretatorisch einen eigenen und authentischen Weg zu gehen, anstatt irgendwelche Vorbilder zu imitieren. Das trifft den Nerv jeder künstlerischen Ausbildung.
(Klaus Sticken)