Jedes Jahr vergibt die Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) Stipendien für besondere Bachelor- und Masterarbeiten. Dieses Jahr gehen die begehrten Auszeichnungen an Florian Brosch, Elisa Hauer, Anna Reisigl, Wieda Shirzadeh-Kepi und Nora Wahl.
Die wissenschaftlichen Abschlussarbeiten der fünf MUK-Absolvent*innen wurden von der MA 7, Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft, mit je einem Stipendium im Wert von EUR 1000,— ausgezeichnet.
Die Emanzipation von Notation, Klang, und musikalischem Gehalt, ausgehend von der grafischen Notation des 20. Jahrhunderts.
Institut Blasinstrumente und Schlagwerk, Bachelorarbeit (Jänner 2024)
Betreuung: Univ.-Prof. MMag.a Julia Purgina, BEd
Musik verstehen wir gemeinhin als Tonkunst, deren Erklingen für das Erleben fundamental ist, jedoch geht ihr Ausdruck darüber hinaus. Im Begriff des musikalischen Gehalts werden jene assoziierten und abstrakten Eindrücke zusammengefasst, welche aus der musikalischen Praxis hervorgehen. Diese umfasst eine Verflechtung an Translationsprozessen, unter anderem zwischen den Medien des Klangs und der Notation, bis in die individuelle, kognitive Interpretation. Innerhalb der westlichen Musiktradition nimmt Notation, insbesondere das Fünfliniensystem, eine wesentliche Vermittlerrolle ein. Sie ermöglicht die grafische Darstellung, und damit Fixierung, Bewahrung, oder Weitergabe von musikalischen Zusammenhängen. Ausgehend von einer akuten Überbeanspruchung des Fünfliniensystems (bedingt durch zahlreiche Zusatzbezeichnungen), entwickelt sich in den 1950er-Jahren als radikale Gegenbewegung die grafische Notation. Sie sorgt auf mehreren Ebenen für eine neue Auslegung der Notation innerhalb der musikalischen Praxis: 1. Bewusste Deutungsunschärfe und Variabilität der klanglichen Umsetzung betonen die Prozessualität und Gegenwärtigkeit jeder Interpretation. 2. Das Lesen bzw. Betrachten wird zu einem höchst subjektiven Vorgang aufgrund der Freiheit, Notation als einen eigenständigen Raum zu erleben und (mit den Augen) zu durchschreiten. 3. Durch das Verlassen einer genormten Zeichenkodierung gewinnt grafische Notation an Autonomie und Zugänglichkeit, da das klangliche Resultat zunehmend unbestimmt bleibt, bis hin zur grundsätzlichen Negation der Aufführbarkeit. Notation, Klang, und musikalischer Gehalt hängen also auf komplexe Weise zusammen, können aber letztlich als voneinander unabhängig angesehen werden. Ein differenziertes Verständnis ihrer Zusammenhänge erweitert die Perspektive in Richtung der realen wie auch imaginären Anteile am musikalischen sowie notationellen Ausdruck.
Florian Brosch begann seine musikalische Ausbildung im Alter von sieben Jahren mit Blockflöten- und später Klavierunterricht. Nach Einstieg in den Vorbereitungslehrgang an der MUK abolvierte er das Bachelorstudium Blockflöte bei Thomas List, welches er im Frühling 2024 mit Auszeichnung abschloss. Sowohl solistisch als auch im Ensemble spielte Florian Brosch bereits bei Konzerten im MATRIX New Music Centre Leuven, Die Bühne Purkersdorf, dem Wiener Echoraum, im Kunsthistorischen Museum, ebenso im Bühnenensemble der Wiener Staatsoper. Meisterkurse besuchte er u. a. bei Sheng-Fang Chiu, David Bergmüller und Sven Schwannberger. In seinen Interessen vielfältig aufgestellt, widmet er sich seit 2021 zusätzlich dem Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Aktuell studiert Florian Brosch weiterhin an der MUK im Masterstudium Blockflöte bei Michael Posch. Sein musikalischer Fokus liegt auf der Musik der Renaissance sowie der Diminutionspraxis.
Jazzbassistinnen: ihre jazzhistorische und musikalische Bedeutung im Bereich des Jazzbassspiels von den 1920er-Jahren bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts.
Institut Jazz, Bachelorarbeit (Februar 2024)
Betreuung: Univ.-Prof. Ulrich Langthaler
Diese Bachelorarbeit untersucht die Rolle von Jazz-Bassistinnen von den 1920er Jahren bis Anfang des 21. Jahrhunderts. Die Arbeit hebt die historisch und musikalisch bedeutenden Beiträge von Frauen im Bereich des Jazz-Bassspiels hervor, die in der Jazzgeschichte oft übersehen wurden.
Die Studie analysiert die Karrieren wichtiger Bassistinnen — darunter Thelma Combes, Lucille Dixon, Carol Kaye und Linda May Han Oh — und vergleicht deren stilistische und technische Entwicklungen mit ihren männlichen Zeitgenossen. Ein besonderer Fokus liegt auf gesellschaftlichen Veränderungen und deren Einfluss auf die Akzeptanz von Frauen in der Jazz-Szene. Zudem wird die aktuelle Situation weiblicher Bassistinnen in Österreich beleuchtet.
Die Ergebnisse zeigen eine steigende Anerkennung und Sichtbarkeit von Frauen am Jazz-Bass, auch wenn geschlechtsspezifische Herausforderungen weiterhin bestehen. Die Arbeit plädiert für eine stärkere Integration von Instrumentalistinnen in die Jazzgeschichtsschreibung und eine geschlechterneutrale Wahrnehmung von Musiker*innen.
Anna Reisigl ist eine in Wien lebende Bassistin (E-Bass/Kontrabass) und Komponistin. Geboren 1997 führen Reisigl diverse Studien im Bereich Klassik und Jazz ans Tiroler Landeskonservatorium, die Anton Bruckner Privatuniversität Linz und die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seit 2016 ist sie Mitbegründerin, Bassistin und Komponistin des Jazztrios Drehwerk, welches bisher drei Alben veröffentlichte, erfolgreich auf nationaler Ebene konzertiert und aktuell mit dem Streichorchester inn.wien zusammenarbeitet. Im Jahr 2021 gründet Reisigl ihr Soloprojekt AR Project, welches 2023 das Debüt-Album Close Bye veröffentlicht und erstmals durch Österreich tourte. Neben weiteren Projekten, u. a. no string quartet, The Flipside Collective, Pia Denz sowie Stefan Eitzenberger 4 trat sie 2018 im Zuge des Marianne Mendt Festivals als Basssolistin auf.
Zudem blickt Reisigl auf Kollaborationen mit Yvonne Moriel, Anna Mabo, Lukas Aichinger, Viola Hammer, etc. zurück. 2019 erhielt sie den Tiroler Nachwuchs-Jazzpreis des Vereins TonartTirol, 2023 den Joe Zawinul Preis der MUK in Kooperation mit der Joe Zawinul Foundation. Reisigl unterrichtet derzeit im oberösterreichischen Musikschulwerk.
Wie das soziale Umfeld das allgemeine Musikinteresse von Jugendlichen beeinflusst. Eine empirische Untersuchung anhand des deutschen Hip-Hops.
Studiengang Master of Arts Education (MAE), Masterarbeit (Oktober 2024)
Betreuung: Edith Wregg, MA
Diese Masterarbeit untersucht den Einfluss des sozialen Umfelds auf das allgemeine Musikinteresse von Jugendlichen am Beispiel des deutschen Hip-Hops. Im Fokus steht die Frage, wie soziokulturelle Faktoren — wie Bildungsniveau, ethnische Zugehörigkeit und soziale Milieus — die Identitätsbildung junger Menschen beeinflussen und ihre musikalischen Vorlieben prägen.
Die empirische Untersuchung basiert auf einem Fragebogen, der an Jugendliche im Alter von 12 bis 20 Jahren in Wien und Umgebung verschickt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass Musik für die Mehrheit der Jugendlichen eine zentrale Rolle im Alltag spielt. Sie dient nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern auch als Werkzeug zur Verarbeitung emotionaler Zustände und als Ausdrucksmittel ihrer Identität. Besonders auffällig ist, dass Jugendliche mit Eltern ohne akademischen Hintergrund ein verstärktes Interesse an deutschem Hip-Hop zeigen — was darauf hindeuten könnte, dass Hip-Hop als Medium zur sozialen und kulturellen Selbstverortung dient. Gleichzeitig weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Musikpräferenzen nicht ausschließlich durch soziokulturelle Faktoren bestimmt werden, sondern auch von persönlichen Erfahrungen, Medienkonsum und sozialen Interaktionen geprägt sind.
Die Arbeit stützt sich auf die Identitätstheorien von Erik H. Erikson, Charles Taylor sowie Henri Tajfel und John Turner und berücksichtigt zudem Jean Piagets Beobachtungen zur emotionalen Entwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Rolle digitaler Medien, die nicht nur den Zugang zu Musik erleichtern, sondern auch die Selbstinszenierung und soziale Zugehörigkeit beeinflussen.
Diese Arbeit liefert einen Beitrag zur musikpädagogischen Forschung, indem sie den Zusammenhang zwischen sozialem Umfeld, Musikinteresse, emotionaler Entwicklung und jugendlicher Identitätsbildung analysiert und Ansatzpunkte für zukünftige Forschung aufzeigt.
Bereits im Alter von drei Jahren begann Wieda Shirzadeh-Kepi ihre Tanzausbildung in Hildesheim an der Ballettschule Freese-Baus. In ihrer Laufbahn als Balletttänzerin absolvierte sie fünf Prüfungen der Royal Academy of Dance aus London mit Auszeichnung. Mit 16 Jahren setzte sie ihre klassische Ballettausbildung in Hannover bei dem Ballettmeister Yener Durukan fort. Mit elf Jahren begann sie ihre Hip Hop Ausbildung vorerst in Hildesheim und kurz darauf in Hannover an der Tanzschule Link2Dance bei der Tänzerin Miriam Link. Während dieser Zeit holte sie viele Titel auf nationalen und internationalen Meisterschaften. Sie ist achtfache Deutsche Meisterin und sechsfache Norddeutsche- Meisterin. Auf internationaler Ebene holte sie bei den „Dutch Open“ den Ersten und Dritten Platz sowie den Vierten und Siebten Platz bei der „IDO Weltmeisterschaft“. Mit 17 Jahren bestand sie die Aufnahmeprüfung für den Bachelorstudiengang Zeitgenössische Tanzpädagogik an der MUK. Bis 2019 lernte sie dort die zeitgenössischen Tanztechniken der Rosalia Chladek, jedoch auch mit Einflüssen aus anderen zeitgenössischen Tanztechniken. Ihren Bachelor of Arts erlangte sie mit Auszeichnung. Seit 2021 studiert sie an der MUK im Master of Arts Education (MAE).
Im Sommer 2017 erweiterte sie ihre Contemporary und Hip Hop Tanzausbildung in Toronto an der City Dance Corporation sowie im The Underground Dance Center.
Seit 2019 unterrichtet Wieda an der Anton Stadler-Musikschule in Bruck an der Leitha Ballett, Modern/Contemporary Dance und Hip Hop in Form einer schulbegleitenden Tanzausbildung.
Wiedas vielschichtige Ausbildung lässt sich sofort in ihrem Stil wiederfinden. Die verschiedenen Richtungen verschmelzen miteinander und machen ihre Klassen und Choreografien somit sehr spannend und aufregend. Künstlerische Gestaltung und eine technische Basis aus dem klassischen, zeitgenössischen und urbanem Tanz sind Hauptbestandteil ihrer Unterrichtseinheiten.
Olivia, Popeye und die Liebe — keine Zeit für Feminismus, wenn du in seinen Armen liegst. Eine Untersuchung der Stereotypen im Bezug auf romantische Liebe im Stück LIEBE. Eine argumentative Übung von Sivan Ben Yishai, anhand der feministischen Theorie von bell hooks.
Institut Schauspiel, Bachelorarbeit (Oktober 2024)
Betreuung: Univ.-Prof.in Mag.a Dora Schneider
Meine Bachelorarbeit untersucht geschlechterspezifische Stereotypen in romantischen Beziehungen anhand des Theaterstücks LIEBE / Eine argumentative Übung von Sivan Ben Yishai und der feministischen Theorien von bell hooks. Im Fokus steht die Transformation der Comicfiguren Olivia Öl und Popeye, die in der Inszenierung als Träger*innen gesellschaftlicher und geschlechterbezogener Stereotypen neu interpretiert werden. Die Arbeit zeigt, wie kulturelle Normen und patriarchale Strukturen romantische Beziehungen prägen und dabei physiologische sowie psychologische Dimensionen der Figuren beeinflussen. Durch den Vergleich mit den Werken von bell hooks (Alles über Liebe, Lieben lernen und Männer, Männlichkeit und Liebe) wird herausgearbeitet, inwiefern Sivan Ben Yishai mit ihrem Stück normative Vorstellungen von Liebe hinterfragt und neue Perspektiven auf Geschlechterrollen und emotionale Intimität zu eröffnet. Die Arbeit leistet somit einen Beitrag zur feministischen Theateranalyse, untersucht, inwiefern das Theaterstück als kritischer Kommentar zu Macht- und Beziehungsmustern verstanden werden kann und stellt die Frage, wie sich alternative Erzählweisen auf unser Verständnis von romantischer Liebe auswirken können.
Nora Wahl, geboren 1994 in Basel, sammelte ihre ersten Bühnenerfahrungen bereits im Kindesalter und später im Jugendclub des Theater Basels. Nach einem abgebrochenem Kunststudium und einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung kam sie 2019 für ihr Schauspielstudium an der MUK nach Wien. 2021 erhielt sie den Förderpreis der Armin Ziegler Stiftung. Während des Studiums spielte sie am Volkstheater Wien sowie am Landestheater Niederösterreich in. 2023/24 war sie Teil von MAGMA am Dschungel Wien. Nora lebt und arbeitet in Wien.
Im Bereich Gender & Diversity:
Teilhabe im zeitgenössischen Tanz mit Fokus auf Menschen mit Hörbehinderung. Ein Einblick am Beispiel des künstlerischen Schaffens von Dodzi Dougban und Kassandra Wedel.
Institut Tanz, Bachelorarbeit (Juni 2024)
Betreuung: Univ.-Prof.in Mag.a Nora Schnabl-Andritsch
„If access to cultural participation is a human right, why are disabled artists and audiences still facing barriers that prevent participation?” Dieses einleitende Zitat der Plattform Europe Beyond Access verdeutlicht einen Missstand unserer Gesellschaft und verweist auf unzureichende Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen. Ausgehend von der Tatsache, dass in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) die Rechte von Menschen mit Behinderungen — wie auch das Recht auf kulturelle Teilhabe — verankert ist, erscheint der im Zitat beschriebene Sachverhalt als paradox. Hier setzt die Bachelorarbeit von Elisa Hauer an und beschäftigt sich folglich mit Teilhabe im zeitgenössischen Tanz unter besonderer Berücksichtigung von Menschen mit Hörbehinderung. Anhand des künstlerischen Schaffens der Tänzer*innen Dodzi Dougban und Kassandra Wedel geht Elisa Hauer in ihrer Arbeit der Frage nach, wie Teilhabe im zeitgenössischen Tanz sichtbar werden kann.
Elisa Hauer, geboren 1997 in Wien, ist ausgebildete Sozialpädagogin und Tanzpädagogin. Nach ihrem 2019 abgeschlossenen Studium der Bildungswissenschaft an der Universität Wien, lebte sie zunächst in Berlin und erhielt wertvolle Einblicke in die künstlerische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bei ACT e.V. — Führe Regie über dein Leben. 2020 begann sie das Bachelorstudium Zeitgenössische Tanzpädagogik, welches sie 2024 mit Auszeichnung absolvierte. Neben ihren bisherigen beruflichen Schwerpunkten als persönliche Assistentin und Tanzpädagogin ist sie aktuell unter anderem bei dem inklusiven Kunstprojekt Mellow Yellow tätig.
Wir gratulieren herzlich und bedanken uns bei der Kulturabteilung der Stadt Wien!