Eine genuin tschechische Kunstmusik entstand, als sich Komponisten wie Smetana, Dvořák und eine Generation später auch Janáček der Volksmusik ihrer Heimat besannen und sich von ihr inspirieren ließen. In den 1920er Jahren blickten Musiker*innen der jungen tschechischen Republik zudem gegen Westen, wo sie unter anderem den Jazz als Quelle der Inspiration entdeckten.
Pavel Haas, der wohl talentierteste Schüler Janáčeks, ließ jazzartige Element in sein 2. Streichquartett Von den Affenbergen einfließen, das in den 1920er Jahren, nach einem Aufenthalt des Komponisten in den nahe Brünn gelegenen Affenbergen, entstand. Besonders markant tritt der Einfluss des Jazz im Finale hervor. Einerseits wird es von einem Rumba-Rhythmus dominiert, andererseits ergänzt Haas die klassische Streichquartett-Besetzung um ein Schlagwerk „ad libitum“. In der Version mit Schlagwerk gelangt das Quartett im Musikverein zur Aufführung.
In den 1920er und 30er Jahren zählte Erwin Schulhoff zu den führenden Vertretern der tschechischen Avantgarde. Zu den schillernden Facetten seines Oeuvres gehört die Auseinandersetzung mit dem Jazz, die in der 1930 komponierten „Hot-Sonate“ für Altsaxophon und Klavier ihren Höhepunkt fand.
1923 ging Bohuslav Martinů nach Paris, um bei Albert Roussel zu studieren. Dort lernte er auch den Jazz kennen, der ab den späten 1920er Jahren sein eigenes Schaffen beeinflusste. Das zeigen Kompositionen wie das Sextett für Klavier und Bläser, die Jazz Suite, das Pasticcio La Revue de Cuisine oder das Ballett Schach. Von den 1932 entstandenen Rhythmischen Etüden hat Martinuů die VI. im Jazz-Rhythmus geschrieben.
Eng mit der Biographie Martinůs ist jene von Vítězslava Kaprálová verknüpft. Die hochtalentierte Komponistin und Dirigentin wurde 1915 in Brünn geboren. Nach Abschluss ihres Studiums in Prag ging sie nach Paris, wo sie Unterricht bei Bohuslav Martinů nahm, der sie außerordentlich schätzte und protegierte. Ihr Stil ist von der Spätromantik, der Avantgarde, vom Jazz und von der Folklore ihrer Heimat inspiriert. Nach dem Einmarsch Hitlers 1939 in die Tschechoslowakei wurde ihr Frankreich zum Exil, wo sie 1940, nur 25-jährig, in Montpellier starb. Trotz ihres kurzen Lebens hat sie knapp 60 Werke hinterlassen. Als ihr erstes reifes Werk wird ihr 1935/36 entstandenes Streichquartett angesehen, in dem Vítězslava Kaprálová folkloristische Elemente ihrer Heimat mit impressionistischen Klangwirkungen verband.
PROGRAMM:
Vítězslava Kaprálová (1915—1940)
Trio pro dechové nástroje (Trio für Blasinstrumente)
Lorenz Maderthaner, Oboe
Dmytro Kyryliv, Klarinette
Kodai Miyazaki, Fagott
Pavel Haas (1899—1844)
Suite für Klavier op. 13
Kosti Deti, Klavier
Bohuslav Martinů (1890—1959)
Rhythmische Etüden für Violine und Klavier
Shin Sakai, Violine
Noriko Shibata, Klavier
Pause
Vítězslava Kaprálová
Navždy (Bis in alle Ewigkeit) op. 12
Anna Nekhames, Sopran
Yuka Tamura, Klavier
Erwin Schulhoff (1894—1942)
Hot Sonate für Altsaxophon und Klavier
Tadej Pance, Saxophon
Noriko Shibata, Klavier
Folgender Programmpunkt musste leider abgesagt werden:
Pavel Haas
Streichquartett Nr. 2 Von den Affenbergen
Lalita Svete, Violine
Norbert Simó, Violine
Patrizia Batik, Viola
Maike Clemens, Violoncello
Linus Rastegar, Schlagzeug
Konzert im Rahmen des Musikverein-Schwerpunkts Grenzgänge: Tschechische Musik
in Kooperation mit der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
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