Anlässlich des Symposions gefesselt — entfesselt sprachen Vizebürgermeisterin Grete Laska und Ranko Markovic über die Vernetzung von Kunst und Wissenschaft
Nach seiner Akkreditierung als Privatuniversität brach für das Konservatorium Wien mit Beginn dieses Studienjahrs offiziell eine neue Ära an. Wie macht sich diese Einrichtung der Stadt Wien Ihrer Meinung nach?
Laska Ich habe diese Reform der künstlerischen Ausbildung in Wien eingeleitet, um im Sinne der Chancengleichheit einerseits einer möglichst breiten Basis den Zugang zu den Einrichtungen zu ermöglichen, andererseits aber gleichzeitig eine qualitativ höchstwertige Ausbildung zu gewährleisten. Insbesondere die Studierenden der Konservatorium Wien Privatuniversität müssen auf den internationalen Wettbewerb vorbereitet werden. Das steht nun auf Schiene. Es scheint so, als ob es gelingt, Berufsausbildung und Persönlichkeitsbildung zu vereinen. Das gefällt mir. Ob wir damit erfolgreich sind, wird sich wohl erst in einigen Jahren erweisen, wenn die ersten Studierenden ihre Studien beendet haben und im Rückblick zufrieden mit dem Angebot sind. Denn darauf kommt es an.
Die Konservatorium Wien Privatuniversität feiert die Akkreditierung mit einem Symposion. Kommt dem Typus dieser Veranstaltung eine programmatische Bedeutung zu?
Laska Dass die neue Kunstuniversität ihre Akkreditierung mit einem Symposion feiert und nicht etwa mit einer reinen Konzertveranstaltung, ist natürlich signifikant. Im Antrag des Konservatoriums zur Akkreditierung als Privatuniversität ist ja nicht zuletzt vom Ziel der „Erschließung der Künste in Wissenschaft und Forschung“ die Rede.
Markovic Allerdings schwebt uns keine herkömmliche wissenschaftliche Tagung vor. Wir haben daher auch bewusst nicht das in der akademischen Welt gängigere lateinische Wort „Symposium“ gewählt. Mit der griechischen Bezeichnung besinnen wir uns (natürlich nur teilweise) auf die ursprünglichen Charakteristika dieser antiken „Trinkgelage“. So wird in unserem Symposion einerseits auch das sinnliche Element vertreten sein: Das Publikum wird in den Genuss von musikalischen und theatralischen Darbietungen kommen — von der kulinarischen Verpflegung ganz abgesehen. Andererseits soll aber vor allem dem für die antiken Symposien entscheidenden Element des Diskurses breiter Raum zugestanden werden.
Oft besteht ja bei Künstlern, vor allem Interpreten, eine gewisse Skepsis gegenüber Wissenschaftlern und der intellektuellen Auseinandersetzung mit Kunst.
Markovic Die Polarisierung in Künstler einerseits und Wissenschaftler andererseits ist überhaupt nicht einzusehen. Es gab und gibt ausreichend Beispiele großer Künstler, die sich mit ihrem Metier auch analytisch-intellektuell auseinandergesetzt haben, zum Beispiel Komponisten wie Berlioz, Schumann, Debussy, Stockhausen, Boulez, Rihm (um nur wenige zu nennen), aber auch Interpreten wie etwa Alfred Brendel oder Nikolaus Harnoncourt. Bei den Alte Musik-Interpreten ist das Zusammenwirken von Forschung und Praxis ohnehin bereits eine Selbstverständlichkeit. Man muss heute von jedem zeitgemäßen Künstler und Interpreten erwarten können, dass er ein historisches Bewusstsein für sein Fach ausprägt und imstande ist, darüber zu reflektieren. Wie man an der Alten Musik sieht, kann sich diese wissenschaftliche Auseinandersetzung ganz entscheidend auf das eigene praktische Kunstschaffen auswirken.
Laska Die Skepsis besteht nicht nur zwischen Wissenschaft und Kunst. In meinem Ressort könnte ich viele andere Bereiche mit einer ähnlichen Problematik aufzählen: So gibt bzw. gab es auch Vorbehalte der Hochkultur gegenüber populären Veranstaltungen wie etwa dem Filmfest auf dem Rathausplatz oder Vorbehalte der universitären Wissenschaft gegenüber der Volksbildung. Doch wir arbeiten daran, alle diese Bereiche miteinander in Kontakt zu bringen und mögliche Schwellenängste zu beseitigen. Wir übertragen Aufführungen live aus der Oper oder das Neujahrskonzert auf Großbildleinwände an öffentlichen Plätzen. Damit erreichen wir ein viel größeres Publikum, als in den Festsälen Platz hat.
Ich forciere in meinem Ressort auch die Vernetzung von verschiedenen Einrichtungen. Es ist einfach wünschenswert und positiv, wenn die Büchereien oder die Musikschulen mit den Jugendvereinen oder den Volkshochschulen zusammenarbeiten. Im Zuge von University meets public bespielsweise unterrichten UniversitätsprofessorInnen in Volkshochschulen, das heißt, sie müssen — oft zum ersten Mal — ihre Forschungsinhalte einfach und für Laien verständlich vermitteln. Dabei zeigt sich, dass beide Seiten voneinander lernen, wenn sie sich miteinander befassen und offen füreinander sind.
Nach welchen Gesichtspunkten wurden die Referenten des Symposions ausgewählt?
Markovic Die Referenten sind bezeichnenderweise nicht reine Wissenschaftler, sondern alle Vertreter jenes Typus des „denkenden Künstlers“, der ein Ziel jeder Kunstausbildung sein sollte. Wir konnten einige der kreativsten Persönlichkeiten unserer Zeit gewinnen. Sie werden in ihren Beiträgen allerdings weniger über ihre eigene Kunst sprechen als sich mit historischen Persönlichkeiten und deren Werk bzw. mit bestimmten Rahmenkonstellationen künstlerischen Schaffens auseinandersetzen. Die besondere Chance, wenn Künstler sich mit wissenschaftlichen Fragen befassen, besteht eben darin, dass sie ihre künstlerische Sensibilität befähigt, Dinge zu erkennen, die einem Theoretiker vielleicht gar nicht in den Sinn kommen. Oft haben Künstler auch ein ganz ausgeprägtes Sensorium für gesellschaftlich-politische Zustände, für die „Atmosphäre“ einer bestimmten Zeit.
Es fällt auf, dass die Mitwirkenden aus den verschiedensten künstlerischen Bereichen kommen.
Laska Ich finde die Durchmischung verschiedener Bereiche immer gewinnbringend. Den interdisziplinären Ansatz, der das Symposion prägt, versucht die Konservatorium Wien Privatuniversität ja auch auf der Ebene des Lehrbetriebs soweit wie möglich zu fördern. Erst Ende des letzten Jahres war etwa die Zusammenarbeit von Studierenden der Schauspiel- und der Instrumentalabteilungen im Rahmen von Bertolt Brechts Kaukasischem Kreidekreis im Schauspielhaus für beide Seiten eine wichtige Erfahrung. Es muss ein zentrales Anliegen einer Kunstuniversität sein, die Studierenden zu ermuntern, sich über ihren eigenen fachlichen Bereich hinaus auch mit anderen Disziplinen zu beschäftigen. Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, den jungen Menschen das handwerkliche Know-how zu vermitteln. Es muss ganz entschieden um mehr gehen.
Markovic Gerade für angehende Künstler ist es außerordentlich wichtig, sich nicht nur innerhalb der Grenzen des eigenen Fachs zu bewegen. Ob man wesentliche künstlerische Aussagen treffen kann, ist letztlich immer auch eine Frage der Persönlichkeit. Im Hinblick auf diese Persönlichkeitsbildung ist es notwendig, die Studierenden innerhalb der eigenen Institution (wie jetzt beim Symposion) mit der Möglichkeit zu konfrontieren, ihren Horizont zu erweitern — ich sage bewusst konfrontieren, weil es leider für viele noch nicht selbstverständlich ist, ihre Konzentration auf Dinge zu verwenden, die scheinbar keinen unmittelbaren Nutzen für die eigene künstlerische Tätigkeit mit sich bringen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Einführung von Wissenschaft und Forschung an der Konservatorium Wien Privatuniversität?
Markovic Wissenschaft und Kunst sollen nicht nebeneinander existieren, sondern miteinander in einen regen Austausch treten, sich gegenseitig befruchten. An vielen Kunstuniversitäten ist es ja so, dass wissenschaftliche Institute ihr Dasein im Elfenbeinturm fristen und wenig mit den künstlerischen Abteilungen in Berührung kommen. Natürlich kann es nicht darum gehen, die Studierenden zu Musik- oder Theaterwissenschaftlern auszubilden, so wie man von einem Musikhistoriker ja auch nicht erwartet, dass er perfekt Klavier spielt. Aber man muss in den jungen Künstlern die Sensibilität für wissenschaftliche Fragestellungen entwickeln und in ihnen die Lust wecken, sich mit ihrem kreativen Potenzial in wissenschaftliche Diskurse einzubringen.
Laska Dieses Miteinander versucht die Stadt Wien ganz generell zu unterstützen, etwa mit dem schon erwähnten Projekt University meets public. Ich möchte auch die Studierenden der Konservatorium Wien Privatuniversität einladen, dieses qualitativ exzellente Angebot im Interesse ihrer Persönlichkeitsbildung noch stärker zu nützen als bisher. Im Rahmen der Wiener Vorlesungen, die bei freiem Eintritt zugänglich sind, referieren internationale und nationale Größen zu spannenden und aktuellen Fragen. Wir stehen in der Stadt zwar zu Forschung auf höchstem Niveau, gleichzeitig sind wir aber auch dazu angehalten, den Elfenbeinturm der Wissenschaft immer wieder zu verlassen und auch eine größere Menge von Interessierten an den Forschungsergebnissen Teil haben zu lassen.
Frau Vizebürgermeister, die Konservatorium Wien Privatuniversität steht, wie Sie gesagt haben, auf Schiene. Welche Pläne gibt es im Bereich der Musikausbildung in Wien sonst noch?
Laska Wir haben das Konservatorium aus der Einheit der Musiklehranstalten herausgelöst und reformiert. Nun stehen auch Änderungen im Bereich der Kindersingschule und der Musikschule an. Ziel ist auch hier, eine Vernetzung und eine Erweiterung des Angebots durch strukturelle Änderungen zu erreichen. Wir werden demnächst ein neues Konzept präsentieren, mit dem wir einen weiteren Schritt in die Zukunft Wiens als Musikstadt machen.
Denn zu einer Allgemeinbildung, wie ich sie verstehe, gehören nicht nur fachliches Wissen und Persönlichkeitsbildung, sondern auch die Beschäftigung mit Kunst und Kultur. Sich von klein an intensiv mit Musik und anderen Künsten zu beschäftigen, ist für jeden Menschen ein Gewinn. Das gilt nicht nur für jene, die später beruflich im Kulturbereich tätig sind, sondern für alle, die Konzerte und Theater besuchen, das heißt, Kunst konsumieren, oder in der Freizeit musizieren oder singen.