Eine der bedeutenden Persönlichkeiten der internationalen Klavierszene war für eine zweitägige Meisterklasse an der MUK zu Gast: Boris Berman, weltweit gefragter Solist, Kammermusiker und Lehrer, Vertreter der legendären Moskauer Pianistenschule und heute Professor in Yale/USA.
Acht ausgewählte Studierende hatten die Gelegenheit, sich mit gewichtigen Werken des spätromantischen bis zeitgenössischen Klavierrepertoires zu präsentieren.
Boris Berman strahlte im persönlichen Umgang wie im Unterricht Wohlwollen und Sympathie aus. Bescheiden und ruhig im Auftreten, wählte er Formulierungen mit Bedacht und Präzision. Im Anschluss an den Vortrag eines Werkes fand er zunächst eine intuitive Umschreibung seines Eindrucks, aus der heraus sich wie von selbst die konkrete Arbeit am Detail ergibt.
Für das Publikum war es faszinierend zu verfolgen, wie ein einmal gewählter Zugang im Verlaufe des Unterrichts Wirkung entfaltete: sei es die Rückbesinnung auf die kompositorische Struktur (Rachmaninoff Sonate, Liszt Spanische Rhapsodie), Eröffnung ungenutzter interpretatorischer Freiräume (Schumann Fantasie, Chopin Ballade) oder einfach nur die treffende Charakterisierung einer Anschlagsart (Klavierkonzerte von Ravel und Prokofiev).
An Berios Sequenza IV hatte Boris Berman besonderen Spaß, da ihm dieses ausgesprochen anspruchsvolle Stück noch nie zuvor im Rahmen einer Meisterklasse präsentiert worden war. Mit souveränem Überblick über das Werk, das er selbst auf CD eingespielt hat, demonstrierte er, wie man die atemberaubende Komplexität beim Üben auf mehrere Schichten herunterbrechen kann.
Nicht nur das Klavierspiel selbst, auch das Unterrichten des Klavierspiels kann eine Form der Kunst sein.
Klaus Sticken
Pianist & MUK-Professor